Markenmythen von gestern und heute

Jeff Bezozs kauft die Washington Post. Auf allen Plattformen, in Medienblogs, auf Twitter – überall ist der Teufel los. Seit heute morgen kommt man nicht mehr nach, alle Kommentieren und haben Meinungen. Kleinteilige Hinweise des Presseschauder, er könnte doch jetzt Rezensionen mit Amazon verbinden und die Washington Post verliere ihre kritische Distanz zu Jeff Bezos (Anmerkung: genauso wie die BILD zum LSR oder die WELT zu dem, was eigentlich Zanox und so Springer-Beteiligungen alles treiben könnten), bis hin zu ausgereiften Analysen, alles ist dabei auf diesem Kontinuum „von…bis“. „Ein Erdbeben für den Journalismus“, schreibt sueddeutsche.de.

So ist das.

Gestern noch der Ausverkauf des Journalismus durch Friede Springer an den Funke-Clan. Die Folge waren deprimierte Journalisten und ein Special auf/im Spiegel.de. Heute der Kauf der Washington Post. Die Folge sind viele hoffnungsfroh gestimmte Journalisten und Medienexperten, wenn man von den branchenüblichen Reflexen mal absieht..

Leider ist in der ganzen Echtzeit-Debatte kein deutscher Verlagsmanager oder Investor zu lesen! Das sagt alles.

One more thing… Warum kommt plötzlich Hoffnung auf? Weil ein Markenmythos den anderen Markenmythos gekauft hat. Und daraus entsteht der Optimismus, den alle so intuitiv spüren. Das ist Markenkraft und das ist genau das Erfolgsgeheimnis, dass Markenmythen erschaffen. Markenmythen produzieren Dopamin, Markenware produziert Cortisol.

Lob: @mdowideit und @ckerkmann vom Handelsblatt arbeiten in ihrem Beitrag als eine der wenigen (die ich bis jetzt gelesen habe) diese Essentials heraus.

Der „Post“-Verleger Donald Graham ist ein ganz Großer. Er erkennt, was er und seine Familie für „Post“ leisten können und was nicht. Er kann stolz sein, auf das was diese Familie mit Grundüberzeugung aufgebaut hat: Erschaffe eine Zeitung, die investigativ ist und überdenke alles nochmal. Daraus ist u.a. mit der Watergate-Affäre der Mythos Washington Post entstanden. Der Film hat diesen Archetypus von Investigativ-Journalismus als Helden-Story in das kollektive Gedächtnis der journalistischen Community eingebrannt. Jetzt kann man sagen, Graham handelt verantwortlich, denn er macht nicht Kasse, sondern er übergibt die Marke an einen anderen Unternehmertypen, dem er zutraut, diese Marke weiter zu entwickeln und zu erhalten. Dabei ist er von einem anderen Mythos, Warren Buffet beraten worden. Diese Männer eint im Geschäft, was so vielen fehlt, und warum sie nicht aufsteigen in diesen Olymp der Markenmythen: Sie haben eine Haltung. Sie haben das, was ich vor zwei Tagen verbloggt und vehement eingefordert habe: „Wofür stehst Du?“ Nein, Meedia, es ist kein Bankrott der Verlage: Es ist eine Haltung. Und dazu gehört Mut und die Zuversicht, das der Käufer Jeff Bezos – nicht Amazon – es richten wird. Und diese Hoffnungen sind begründet. Und wenn die „Post“ in einigen Jahren gut dasteht, aber anders als heute, dann werden Donald Graham und seine Nichte Stolz sein, es so entschieden zu haben. Und wenn nicht, dann hätten andere es sicher auch nicht hinbekommen.

Auch der Amazon-Gründer ist ein Mythos. 1994, als nur ganz, ganz wenige von denen, die jetzt wissen wie es geht (aber es geht nicht ;), das Internet noch gar nicht kannten (ich war als Projektleiter „Elektronisches Publizieren“ der Saarbrücker Zeitung – echt jetzt, so hieß da – schon dabei, darf ich an der Stelle schreiben), hat er die Urzelle des E-Business und E-Commerce begründet. Mit Mut, Weitsicht und Visionen, Talent, Beharrlichkeit, Fähigkeiten und Fertigkeiten. Und mit einer Haltung: Der Kunde als Mensch steht im Zentrum, Technologie hilft und alles braucht seine Zeit. Und er hat mit Amazon in weniger als 20 Jahren eines der erfolgreichsten Unternehmen aller Zeiten geschaffen – übrigens nicht werbefinanziert. Und ich kann auch nicht erkennen – das bringen ja sehr viele in ihren Beiträgen auch zum Ausdruck – das die Grundwerte von Jeff Bezos Hinweise auf Schattenseiten zeigen (bis jetzt jedenfalls). Und der Mann hat Visionen: er will Touristen ins Weltall bringen, damit sie die Schönheit der Erde von oben sehen können. Keep your fingers crossed! Und so wird er mit der hoffentlich vollständig bleibenden Post-Truppe experimentieren und seine Mission, die er spürt, realisieren: Warren Buffet:  „Ich fragte Bezos, warum er es tun wollte, und er nannte die besten Gründe: Er glaubt an das, was Zeitungen tun und was die ‚Post‘ tut und dass es wichtig für das ganze Land ist“ (zitiert nach Handelsblatt, letzter Satz).

Es geht nicht um Kaufpreise, Pseudovorteile, Rabatte, Ausverkauf, Abverkauf, Cost Cutting and #wtf. Es geht um langfristigen Erfolg. Erfolg kommt aus Strategie und Technik. Beides kommt aus Visionen. Visionen brauchen eine Mission. Mission braucht eine Haltung dahinter. Haltung kommt aus Werten. „Dafür stehst Du!“ und diese Haltung spüren die Optimisten heute wieder. „Morgen ist ein neuer Tag“, sagte Tom Buhrow immer in den Tagesthemen.

 

06. August 2013 von Thomas
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