Wege zu einer journalistischen Marke

Viele Wege führen nach Rom – soweit so gut. Viele Wege führen ebenso dahin eine persönliche Marke zu werden. Das gilt auch für Journalisten. Die Notwendigkeit einer Aufwertung journalistischer Marken habe ich hier in früheren Posts verbloggt. Ich nenne Sie ja gerne Branded Journalists. Das Kind braucht einen Namen. Wem das Wort Marke bzw. Brand nicht gefällt: Es geht darum sich einen Namen zu machen, mit dem Renommee oder Reputation verbunden ist. Ein Name der bekannt ist und positiv assoziiert wird, der ein positives Image hat. Eigentlich geht es aber um mehr. Es geht darum eine so starke Autorität in seinem Themenbereich zu werden, so das dessen Beiträge für die Leser relevant sind und den Beiträgen anderer Autoren zum gleichen Thema vorgezogen werden.

Warum macht das Sinn? Der aufgeklärte und interessierte Leser, der an tiefergehenden Informationen, Analysen und Einordnungen mit Expertise zu aktuellen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Geschehnissen interessiert ist, ertrinkt ja im digitalen Zeitalter in der Angebotsflut. Er hat aber nur begrenzte Zeit. Ja, da gibt es die Medienmarken. Aber sind die Journalisten immer diejenigen als Personen, denen ich Glauben schenken kann, auch wenn die Marke des Mediums stark ist? Was für eine Expertise hat diese Person? Welches theoretische Fundament, welche Erfahrungen, welches Netzwerk, welche grundsätzliche Einstellung verbirgt sich dahinter usw….? Wenn ich plötzlich die Explosion der analytischen Beiträge zum Thema Pabst-Rücktritt vor mir sehe, dann kann und will ich eben nicht alle anlesen, auf die ich Zugriff habe oder Zugriff hätte haben können. Am liebsten würde ich 2-3 längere Stücke lesen, die den tatsächlichen Hintergrund seiner Entscheidung beleuchten (sein Alter? Intrigen? Freudlosigkeit im Amt), die mir plausibel darstellen können, wer als Nachfolger kommt und was das heissen wird usw.

Warum sollte man Branded Journalist werden?

Das entscheidet jeder für sich selber, persönliche Ziele und Motive sind subjektiv. Aber Gründe könnten vielleicht sein: Der Arbeitgeber wünscht es für die öffentliche Präsentation und es sichert den Arbeitsplatz. Vielleicht möchte man Horizonte für seine beruflichen Wege eröffnen oder Spielraum für mehr Gehalt entwickeln. Bei wieder anderen ist es Idealismus für eine ganz bestimmte Herzensangelegenheit. Oder man sucht den Weg in die Selbständigkeit und will frei schreiben, dann würde eine starke Marke den Wert und damit die Preise für die Zeilen erhöhen oder Werbung auf seinem Blog oder Käufer von Büchern oder Vorträge oder Moderationen oder Sponsoren oder Spenden via Flattr…

Welche Aufgaben haben Marken?

Marken helfen mir Zeit zu sparen, das erleichtert mir die Suche. Ich kenne häufig die Herkunft der Marken, sie geben mir Orientierung, denn ich erkenne sie wieder und ich kann sie richtig interpretieren. Marken schützen mich aber auch davor, falsche Entscheidungen zu treffen. Sie geben mir vor allem Sicherheit und Vertrauen und das kontinuierlich, wenn die Markenführung richtig funktioniert. Schließlich helfen Marken mir auch, mich selber daran zu spiegeln. Marken können mich bestätigen oder aber sie helfen mir, mich über sie zu definieren. Dann setzte ich diese Marken z. B. auch in meiner sozialen Umwelt ein, fahre eine bestimmtes Auto, nutze einen bestimmten Smartphone-Hersteller, trage bestimmte Klamotten. Gilt das nicht auch für die Urheber journalistischer Beiträge?

Was sind starke und was schwache journalistische Marken?

Level 1 – Level Dacia: Der Journalist Herr J. schreibt regelmäßig in der Printausgabe seiner Tageszeitung, vieleicht 3-4 pro Woche, auf einem konstanten Niveau zum politischen Geschehen und Gesetzesentscheidungen in Berlin und Brüssel. Meist sind das aktuelle Nachrichten, das war’s dann aber auch. Seine Name steht irgendwo im Impressum, aber er hat einen Presseausweis.

Level 2 – Level Opel: Herr J. steigert seinen Bekanntheitsgrad und schreibt zusätzlich auf der Online-Plattform seiner Zeitung, twittert und bloggt – er wird bekannter, nutzt jetzt mehr Kanäle und verbessert seinen Reputationsstatus in Sachen Abgeordneten-Arbeit. Er kommentiert und analysiert jetzt mehr.

Level 3 – Level BMW 5er/Audi A6/Mercedes E: Herr J. konzentriert sich fortan auf einen speziellen Aspekt des politischen Geschehens, sagen wir die Macht der Lobbyisten bei politischen Entscheidungen. Herr J. schreibt jetzt auch viel pointierter, frecher, spannender. Er hat jetzt zusätzlich ein Buch dazu geschrieben und wird als Lobbyismus-Experte in politische TV-Runden eingeladen. Er wird zu einer profilierten Persönlichkeit.
An der Stelle: Danke für die Initiative Lobbyplag.eu und Hinweis auf den hervorragenden Themenabend gestern zum Brüsseler Lobbyismus auf Arte.tv (Mediathek Arte +7).

Level 4 – Level 7er/A8/S-Klasse: Herr J. legt seinen Schwerpunkt in Analysen und Meinungen noch stärker auf die möglichen Konsequenzen für die Zukunft. Er greift dabei in seltenen Interviews und bis dahin unveröffentlichten internen Papieren auf sein Netzwerk zu. Seine Beiträge sind Aufmacher und er ist Agenda Setter. Er ist glaubwürdig, man vertraut ihm und identifiziert sich mit seiner Bewertung. Er sucht jetzt auch den regen Austausch über soziale Medien mit seinen Lesern und unterhält entsprechende Accounts. Wer in seinem beruflichen und persönlichen Umfeld auf Herrn J. verweist, seine Beiträge weiterempfiehlt kann sich damit selber profilieren, weil seine Argumente ein noch höheres Gewicht bekommen. Auf diese Art und Weise hat Herr J. viele zehntausende Follower auf Twitter und Facebook mit einer seit Jahren bestehenden treuen Leserschaft, Sie „lieben“ ihn für seine Arbeit. Er wird auf der Strasse erkannt und angesprochen. Seine Reputation steht ausserhalb jeden Zweifels.

Level 5 – Ferrari/Rolls Royce/Bugatti: Herr J. versprüht in seinen Beiträgen auf verschiedenen Kanälen eine Sehnsucht der Menschen nach Transparenz und Ehrlichkeit. Integrität lebt er selber vor. Er ist in der Lage, den Menschen den Wert transparenter politischer Arbeit für die Gesellschaft zu erklären und Sehnsüchte nach einer neuen Politik zu vermitteln. Er bekommt (Pullitzer-)Preise und wird deswegen international be- und geachtet. Seine Buchpublikationen erreichen hohe Auflagen. Er wird Herausgeber einer sehr renommierten Zeitung und Berät in seiner Funktion auch Politiker weltweit. Herr J. wird ein Mythos und Vorbild nachfolgender journalistischer Generationen.

Okay, okay – übertrieben, ja – ein plakatives Beispiel. Obwohl, den ein oder anderen Journalisten sehe ich auf Level 5… Das Beispiel soll die Unterschiede zwischen starken und schwachen Marken herausstellen. Es gilt m. E. genauso für den Lokaljournalismus wie für das Feuilleton, für Wirtschaftsjournalismus genauso wie für Sportberichterstattung. Wer eine journalistische Marke werden will, muss mehr machen, als nur schreiben, bloggen, twittern. Darum geht es letztlich nur am Rande. Es geht darum eine Persönlichkeit zu werden, die uneigennützige Werte und den Lesern konkreten Nutzen stiftet, die entsprechende Fähigkeiten und Fertigkeiten besitzt, dieses auch glaubwürdig zu können. Dazu gehört eine Tonalität, die dem Lebensstil seiner anvisierten Leserschaft (Zielgruppe) entspricht, die Geschichten erzählen kann, die mitreissen. Auch die Beziehung unter der Austausch mit den Lesern gehört heute dazu, denn die haben Macht und Netzwerke. Die empfehlen einen eben nur dann weiter, wenn ihr eigener Ruf nicht auf’s Spiel gesetzt wird. Und last but not least gehört dazu ein unverwechselbarer Auftritt, etwas wahrnehmbares, das heraussticht. Etwas, das die meist abstrakten Persönlichkeitsmerkmale in etwas konkretes umsetzt. Es müssen ja nicht gleich rote Haare auf halber Glatze sein…

Wer eine Level 3 bis Level 5-Position einnimmt, dessen Beiträge werden zum knappen, nachgefragten Gut. Dann wird das auch was mit dem Paid Content.

13. Februar 2013 von Thomas
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