Der Spiegel stolpert auch über Strategieproblem

Die personifizierten Probleme des Spiegel namens Mascolo und Müller von Blumencron sind auch Ausdruck eines Strategie-Dilemmas. Es ist typisch für klassischen Qualitätsjournalismus, weil es die Hin-und-Her-Gerissenheit zwischen zwei Geschäftsmodellen beschreibt. Sollen hochwertige Inhalte verkauft werden (Paid Content – on- wie offline) oder soll Reichweite verkauft werden (Werbefinanzierung)? Beides gleichzeitig gelingt nur in seltenen Ausnahmefällen, wie bei der NYT oder dem WSJ, oder damals, als es dieses Internet oder wie das heißt noch nicht gab. Da subventionierte die Werbung zu 2/3 die Abos. Digital Paid Content zerstört das Modell der Werbefinanzierung, weil es keine umsatzrelevanten Reichweiten generiert. Werbefinanzierung zerstört das Modell des Paid Content, weil es relevante Reichweite braucht, die man nur kostenlos bekommt. Freemium-Modelle wie Metered Payments oder zahlungspflichtige Dossiers und eBooks etc. müssen ihre Nachhaltigkeit bei gleichzeitigen Qualitätsinhalten noch unter Beweis stellen.

Der Spiegel steht eigentlich vor einem Luxusproblem. Es ist das führende Magazin für relevanten Qualitätsjournalismus mit 900.000 Abonnenten. Und es ist als Spiegel-Online das führende Nachrichtenportal, das durch seine hohe Reichweite genügend Umsatz für schwarze Zahlen generiert. Wenn da die gemeinsame Marke nicht wäre… Was sich zum Start von Spiegel-Online irgendwann 1994 als richtige Strategie erwies und SPON erfolgreich gemacht hat, das erweist sich IMHO jetzt als das eigentliche Problem.

Wer nicht mit dem gedruckten Spiegel groß geworden ist, der erwartet auf Spiegel-online die gleichen Inhalte. Also, warum den Spiegel abonnieren? Die Auflage wird weiter erodieren. Daran ändern auch andere Personen an der Redaktionsspitze kaum etwas. Die gemeinsame Marke wurde von der technologischen Entwicklung und der Marktdynamik überdehnt. Für was steht der Spiegel in Print und Online aus LESERsicht, nicht aus Redaktionsperspektive? Die unterschiedlichen Geschäftsmodelle lassen sich ohne Umsatz-Verlust auf der einen oder anderen Seite kaum nachhaltig integrieren und dann steigern. Der ZEIT gelingt dies mit über 500.000 Auflage und einer ebenfalls erfolgreichen Webseite derzeit vielleicht etwas besser. Auch hier arbeiten eine gedruckte Wochenausgabe und eine digitale Tages-Ausgabe unter einer Marke. Die Printversion steht aber eher für Werte wie Langsamkeit, intellektueller Eskapismus (Serendipity) und Ent-Spannung. Vielleicht sollte der gedruckte Spiegel über neue Markenattribute nachdenken, die sich zur Online-Ausgabe besser ergänzen lassen statt sie zu kannibalisieren.

09. April 2013 von Thomas
Kategorien: Bezahlmodell, Content, Geschäftsmodell, Qualitätsjournalismus, Werbung | Schlagwörter: , , , | Kommentare deaktiviert für Der Spiegel stolpert auch über Strategieproblem