Kann man rückwärts vorwärts kommen? Und kann man, wenn man vorwärts geht, zurück bleiben?
Das hat nicht nur mit dem Leistungsschutzrecht zu tun. Am Freitag soll im Bundestag darüber abgestimmt werden. Dazu ist von vielen fast alles gesagt. Nochmal gut zusammen gefasst von Sascha Lobo auf SpOn als Eigentor für die Verlage.
Es ist ja nicht nur das Leistungsschutzrecht. Es ist der gesamte Forderungskatalog der Verlage, der diese von rechtlichen Vorgaben befreien soll und so das bisherige Geschäftsmodell zementiert. Die Drohung der Verlagsmenschen lautet: Ansonsten Demokratie ist in Gefahr!
Was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert werden. Und was monetarisiert werden muss, wird halt monetarisiert werden. So ist das. Und die Demokratie wird das sicher nicht gefährden.
Was mich maßlos erschreckt ist die Einstellung und Gesinnung der Verlagsmanager: Mit einer rückwärtsgewandten Strategie kommt man in dieser Welt nicht vorwärts. Die Verlagsmenschen suggerieren aber den politischen Entscheidern wie auch den eigenen Mitarbeitern und Lesern, das ein Vorwärtsstreben in der digitalen Welt den Qualitätsjournalismus zurücklassen würde, das die Demokratie auf der Strecke bleibt usw. usw. Nein, es werden sich digitale und monetarisierbare Geschäftsmodelle für den Qualitätsjournalismus finden. So wird es kommen. So wie ein Johannes Gutenberg den Buchdruck mit bewegten Lettern erfand.
Was die Verlage bräuchten, um vorwärts zu kommen sind kreative Köpfe, Informatiker, Entrepreneure, Gestalter, junge motivierte Journalisten, Investoren, Verleger. All die schreckt man mit einer derartigen Einstellung ab. So bleiben diese Verlage am Ende tatsächlich zurück, weil man mit Rückwärtsgehen nicht vorwärts kommt.
26. Februar 2013 von Thomas
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Schlagwörter: Leistungsschutzrecht, Medienzukunft, Qualitätsjournalismus, Verlagsmarketing |
Kommentare deaktiviert für Rückwärts nach vorne gehen? Nein.
Gestern fand im Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages ein zweistündiges Expertengespräch zur Zukunft des Qualitätsjournalismus statt. Das Bundestags-TV übertrug live. Der Beitrag steht jetzt in deren Mediathek.
Es war eine Elefantenrunde – der Eintritt war frei: Matthias Döpfner, Rainer Esser, Julia Jäckel, Ulrich Lingnau, Christian Nienhaus und Stephan Weichert von der Macromedia-Hochschule in Hamburg. Es war eine Aufforderung zum Protektionismus eines sich auflösenden Geschäftsmodells: Qualitätsjournalismus aus zwei Erlösquellen, wie er bisher war.
Es wurde alles gefordert: Leistungsschutzrecht (alle bis auf Weichert), Schutz vor gebührenfinanziertem Journalismus im Netz (Döpfner), die Grosso-Novelle (Esser), Schutz vor „Datenkraken aus dem Silicon Valley“ (Esser) – vor „Goliath gegen David“ (Esser), Schutz vor Einschränkungen bei der Abo-Werbung durch die EU (Esser, Jäkel), Schutz vor Werbeverboten durch „EU-Bürokraten, die sich wichtig nehmen“ (Esser), Schutz vor dem „Versenken“ (Esser) von Werbung aus Print in TV, eine Kooperationserlaubnis für Verlage (Esser), Schutz vor eingreifenden Werberichtlinien bei Nahrungsmitteln (Jäkel), Schutz vor unterschiedlicher Besteuerung in Europa (Jäkel), Angleichung der Mehrwertsteuer auf Null (Jäkel), Schutz vor SEPA – europäische Zahlungsverkehrsrichtlinien (Lingnau), Schutz vor „Staatsbetrieben“ (Nienhaus) wie der Post, die Werbung frei verteilt, Änderung des Pressefusionsrechtes (Nienhaus)…
Hab‘ ich was vergessen?
Der Wunschzettel ist lang, aber die Runde betont, man sei weder kulturpessimistisch, noch wolle man sich den Herausforderungen verweigern. Im Gegenteil, die Zukunft für Zeitungs- und Zeitschriftenjournalismus sei großartig, wie Döpfner betonte . Einerseits wird auf die Meritorik, Demokratie, Erhalt mittelständischer Verlagsstrukturen, Unabhängigkeit und Arbeitsplatzerhalt etc. hingewiesen, andererseits der Vorschlag Weicherts, nach Kuratierungen durch Stiftungsmodelle vehement abgelehnt. Wettbewerb, technologischer Fortschritt, verändertes Konsumentenverhalten, Globalisierung und viele andere Aspekte betreffen alle Märkte und damit müssen sich noch ganz andere Branchen herumschlagen. Esser berichtet, dass die „Zeit“ jedes Jahr 20-25% – das sind 70.000 – neue Vollzahler-Abonnenten gewinnen muss. Die verlustig gegangenen Abonnenten sterben ja nicht alle. Frage: warum gehen Sie dann? Man will marktwirtschaftliche Probleme marktwirtschaftlich lösen und fordert dazu den Gesetzgeber zu protektionistischen Maßnahmen – sie nennen das „faire Rahmenbedingungen“ auf – das passt doch alles nicht zusammen!
Mir sind Unternehmer lieber, die sich den, ja, harten Märkten wirklich stellen, die tolle Produkte entwickeln und pflegen, ihr Marketing und ihren Vertrieb state of the art aufstellen und am Puls der Zeit bleiben. Keine Verlagsmenschen, die die Zeit festhalten wollen und die Wunschzettel schreiben… Dann wird das auch in Zukunft was mit Paid Content.
21. Februar 2013 von Thomas
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Schlagwörter: Leistungsschutzrecht, Medienzukunft, Paid Content, Qualitätsjournalismus, Trends, Verlagsmarketing |
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Henry Ford sagte einmal: „Jeder Kunde kann seinen Wagen beliebig anstreichen lassen, wenn der Wagen nur schwarz ist.“ Das Zitat stammt aus dem Zeitalter der Produktorientierung zur Minimierung der Produktionskosten durch Größenvorteile. Damals radikal, neu, anders gedacht, innovativ, der erste Massenmarkt war begründet.
Zwei interessante Paid Content Projekte des Qualitätsjournalismus stehen kurz vor der Realisierung: Das Handelsblatt startet am 4. März die App „Handelsblatt Live – Journalismus für eine neue Generation“. Nach dem verkorksten Print-Abenteuer einer personalisierten Zeitung will Niiu in diesen Tagen den Start seiner neuen „Niiu App“ bekanntgeben – gleiches Konzept, digitales Medium.
Ein drittes Projekt ist gerade gestartet: Die „Welt am Sonntag Kompakt„. Beurteilen lässt sich nur diese neueste Innovation aus dem Hause Axel Springer, dem deutschen Vorreiter in Sachen Digitalstrategie, der die letzte Führungskräfte-Tagung im Silicon Valley (Herr Döpfner lud persönlich ein) abhalten lies. Vermutlich für die weitere Planungen nach dem nordischen Format der „Zeitung nach dem Papier„.
In Sachen Handelsblatt Live bin ich tatsächlich auf die Realisierung gespannt. Der Hinweis auf einen dreimal täglich aktualisierten Inhalt (6, 12 und 20 Uhr), wobei die letzte Aktualisierung der Ausgabe des folgenden Tages entsprechen soll, riecht nach Nachrichten, nicht nach Meinung, Analyse oder Kommentar. Für immerhin 39,99 € im Monatsabo – 33% teurer als das ePaper pro Monat. Eine Paywall oder ein Paywill? Ich fürchte, nachdem was bisher durchsickerte, ist das möglicherweise auch wieder ein Ford T-Modell, eine digitale Zeitung: gebündelt, die die bestehende Abonnenten nicht verschrecken soll, die vermutlich konzeptionell weder echt neu, innovativ, radikal, halt eben anders gedacht sein wird. Klar, mit Social Media und technisch nett gemacht… Lassen wir uns überraschen!
Gespannt bin ich auch auf das Niiu-Projekt, ein etwas anderer Paid Content Versuch. Der alte Traum der personalisierten Zeitung. Mit vermutlich dem who is who der deutschen Zeitungsverlage als Zulieferer. Wo liegt der große Unterschied zu einer traditionellen Tageszeitung on- oder offline? Schreiben doch eh alle das Gleiche für den diL, den durchschnittlich intelligenten Leser. Möglicherweise bleibt dem Abonnenten dieser Variante das Gefühl der Reaktanz, das Gefühl sich bei der Auswahl nie richtig entschieden zu haben.
Ich bleibe dabei: Die Bildungs- und Informationselite hat immer keine Zeit. Sie sucht als Gegenpol zur Komplexität des politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Weltgeschehens und der Informationsmengen in Überschallgeschwindigkeit die Einfachheit, Orientierung, Meinung, ein gutes Gefühl das richtige zu lesen, Unterhaltung in Form und Funktion, Ästhetik und Schönheit für die Emotionen.
Ob das die neuen Angebote liefern oder ob wir doch wieder ein schwarzes T-Modell bekommen?
19. Februar 2013 von Thomas
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