Branded Journalists – Identität und Image (Teil 1)

Der Weg zu einer eigenen journalistischen Marke ist lang. In mehreren Teilen möchte ich den Weg von der geplanten Identität zum wahrgenommenen Image auf Seiten der Leser beschreiben. Dabei beschreibe ich diesen Weg aus der Marketingperspektive und den relevanten Erkenntnissen aus der Neuropsychologie.

Teil 1 (Strategie): Archetypen, Motive und emotionaler Nutzen

Der einfache Weg zur persönlichen Marke wird häufig so beschrieben: Suche dir ein spezielles Themengebiet in dem du dich auskennst, schreibe und blogge darüber regelmäßig und mache das ganze am besten über soziale Medien bekannt. Das ist kurz gedacht und die Erfolgswahrscheinlichkeit liegt bei 50:50. Mit einer rein inhaltsgetriebenen Positionierung wird unterstellt, dass die Leser ein rationales und kognitiv gesteuertes Informationsbedürfnis haben. Ich will euch da nicht enttäuschen, aber ich glaube, die meisten Konsumenten von Informationen haben eigentlich andere Motive und ein völlig anderes, ein emotionales Nutzenbedürfnis. Darüber sind diese sich aber kaum bewusst. Es läuft unbewusst, subtil und implizit ab, im Autopiloten. Aus der Neuroforschung und von dem renommierten Harvard-Professor Gerald Zaltman wissen wir: mehr als 95% aller Entscheidungen werden von diesem impliziten System getroffen. Nur 5% reflektiert der Pilot bewusst und gedanklich kontrolliert. Warum? Der Mensch musste in seiner Entstehungsgeschichte mit seinen Kräfte immer haushalten. Das hat ihn extrem effizient gemacht. Die unbewusste Verhaltenssteuerung zählt zu diesen Effizienz-Werkzeugen. Ich muss mich hier kurz halten. Interessant in dem Zusammenhang ist die Prize Lecture des Nobelpreisträgers für Wirtschaftswissenschaftlen, Daniel Kahnemann, 2002.

Der großartige Schweizer Psychologie Carl Gustav Jung hat die Psyche in drei Bereiche eingeteilt: Den persönlich bewussten Verstand, das persönlich Unbewusste und das kollektive Unbewusste. Sie sind als das „psychische Erbe“ den Menschen angeboren. Inhalte des kollektiven Unbewußten sind Archetypen, angeborene und vererbte Tiefenstrukturen der menschlichen Psyche, die sich in mythologischen oder ursprünglichen Abbildungen widerspiegeln. In vielen Mythen, Märchen oder Sagen sind vor allem zwei grundlegende Archtypen vorhanden: Der „Held“, der sich bereit erklärt, das Böse der Welt auszurotten und das „unschuldige Mädchen“, das jung, hübsch und unschuldig von der bösen Stiefmutter misshandelt wird. Den Rest kennt ihr: Siegfried, Achilles, Herkules, Drachen, Prinzen, Aschenputtel, Frösche, Prinzessinnen usw. Kurzum: Männer wie auch Frauen träumen von dadurch geschaffenen Idealbildern. In Filmen wie Casablanca, Terminator, Rocky, Harry Potter, Erin Brokovic, Avatar, Pocahontas oder Pretty Women finden sich diese Archetypen geschlechtsneutral wieder.

Chinese Dragon

In Mythen und Sagen wird das Böse und das Chaos durch den Drachen beschrieben. Der Held kämpft auf unterschiedliche Art mit dem Drachen um das Leben weiter bestehen zu lassen. Der Held repräsentiert die Tugenden. Zwölf (geschlechterneutrale) Heldentypen lassen sich unterscheiden:

  • Der Bodenständige (Otto Normalverbraucher): verbündet sich mit anderen in einer Gemeinschaft gegen ihn
  • Der Schöpfer (W.A. Mozart): setzt den Drachen nützlich ein
  • Der Beschützer (Mutter Theresa): schützt die anderen vor ihm
  • Der Herrscher (Gerhard Cromme): zähmt den Drachen
  • Der Held (John Wayne): bekämpft und schlägt den Drachen
  • Der Rebell (Che Guevara): trotzt dem Drachen
  • Der Magier (Harry Potter): verzaubert den Drachen
  • Der Liebhaber (Leonardo di Caprio in Titanic): umarmt den Drachen
  • Der Narr (Charlie Chaplin): amüsiert den Drachen
  • Der Unschuldige (Walt Disney): leugnet den Drachen
  • Der Entdecker (Reinhold Messner): sucht nach dem Ursprung des Drachen
  • Der Weise (Dalai Lama): studiert den Drachen

Die Motivstruktur von Menschen lässt sich auf drei Grunddimensionen und -bedürfnisse zurückführen (um weiter Leben zu können):

  1. Erregung einerseits, Disziplin andererseits
  2. Abenteuer einerseits, Sicherheit andererseits
  3. Genuss einerseits, Autonomie andererseits

Die Persönlichkeit eines Menschen wird von den Grundbedürfnissen geprägt. Die Helden und Anti-Helden – auch die tragischen Helden – lassen sich wiederum diesen drei Grunddimensionen zuordnen:

  • Erregung: Entdecker, Magier, Rebell, Narr
  • Sicherheit: Liebender, Unschuldiger, Bodenständiger, Beschützer
  • Autonomie: Herrscher, Kämpfer, Schöpfer, Weiser

Die Leser oder Nutzer des Qualitätsjournalismus – also Menschen weltweit – versuchen mehr oder weniger diese jeweiligen Grundbedürfnisse unbewusst und implizit für sich abzudecken. Sie träumen davon, entwickeln Sehnsüchte un streben in ihrem Handeln danach – in der Alltagssprache heißt es dann „Selbstverwirklichung“ und „Glücklich sein“. Auf entsprechende Signale, die diese Bedürfnisse und Sehnsüchte befriedigen, reagieren sie ebenfalls unbewusst und implizit. Signale in Film, Musik oder der Literatur – kurz in allen kreativen Lebenswelten – üben dann ein starke Anziehungskraft und Bindungskraft aus. Das tun auch Medienmarken, auch sie  strahlen mehr oder weniger gewollte, glaubwürdige, konsistente und widerspruchsfreie Signale aus. Wo würdest Du „Bild“, „Titanic“, „TAZ“ oder „Landlust“ einordnen? Vielleicht schwerpunktmäßig als „Herrscher“, „Narr“, „Rebell“ und „Liebender“?

Journalisten streben in ihrem Ethos nach den Grundtugenden, sonst wären sie keine Journalisten. Ein Journalist, der sich als Marke entwickeln will, sollte sich an diesen Urmuster für Bedürfnisse und Geschichten orientieren: Welche Leser will er ansprechen? Welche Sehnsüchte will er bedienen? Welchen Heldentypus möchte und kann er ausfüllen? Auf welchem Themengebiet kann er diese Typen dauerhaft bedienen? Auch unter Journalisten gibt es diese verschiedenen Archetypen: Günter Wallraff, der Kämpfer – Stephan Niggemeier, der Kämpfer, aber auch Narr – Frank Schirrmacher, der Entdecker und Weise – Giovanni di Lorenzo, der Beschützer – Kai Diekmann, der Herrscher – Hans Zimpert, der Narr  – Hans Leyendecker, der Entdecker usw.

Der erste und wichtigste Punkt bei der Entwicklung einer Markenidentität ist die Entscheidung über die eigene Position: Wie sehe ich mich selber, wie sehen mich andere? Wofür stehe ich und wofür stehe ich ein? Welche Rolle will ich einnehmen? An wen will ich mich richten? Welche Werte und Normen leiten mich? Welche Motive bei meinen Lesern will ich bedienen und belohnen? Welchen emotionalen Nutzen will ich stiften: das Bedürfnis nach Sicherheit, Disziplin und Autonomie oder mehr nach Anregung, Abenteuer und Genuss?

Teil 2 (Planung): Journalistische Spitzenleistungen und Einzigartigkeit – folgt demnächst auf diesem Blog.

 

08. März 2013 von Thomas
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